V3R und V3R E-Compressor: Zwei Marken, ein Konzept?
Bereits im Februar hatte Honda in Europa die Markenrechte am Namen „V3R“ beantragt, was als deutliches Zeichen für ein neues V3-Motorrad gewertet wurde. Nun folgten im März entsprechende Anträge in den USA – sowohl für „V3R“ als auch für „V3R E-Compressor“. Letztere Bezeichnung deutet mit ziemlicher Sicherheit darauf hin, dass das auf der EICMA 2023 in Mailand gezeigte Konzept mit elektrischem Kompressor den Sprung zur Serienreife schaffen wird.
Ob Honda tatsächlich zwei Varianten – eine mit und eine ohne Kompressor – plant, ist aktuell unklar. Die Konstruktion des Motors könnte speziell auf den Einsatz des elektrischen Aufladers ausgelegt sein, was eine Version ohne Kompressor technisch und wirtschaftlich unattraktiv machen würde. Zudem steht Hondas Philosophie der Plattform-Optimierung einem doppelten Entwicklungsaufwand eher entgegen.
Elektrisch aufgeladener V3: Technik mit Seltenheitswert
Honda wagt mit dem V3-Konzept gleich mehrere technische Alleingänge. Während V-Twin- und V4-Motoren zur Honda-Tradition gehören, ist ein V3-Triebwerk eine Ausnahmeerscheinung. Auch die Namensgebung passt sich dieser Seltenheit an: Statt wie üblich den Zylinderanzahl-Buchstaben (T für Twin, F für Four) zu verwenden, kombiniert Honda beim V3R eine Ziffer in der Mitte – wohl als elegante Lösung für das Namensdilemma zwischen „V2“ und „V3“.
Gerüchten zufolge liegt der Hubraum des neuen Motors bei etwa 800 cm³. Dank des elektrischen Kompressors soll das Aggregat jedoch die Leistungswerte deutlich größerer Saugmotoren erreichen. Konkrete Leistungsdaten wurden bisher nicht genannt, doch im Raum stehen Spekulationen über 110–130 PS (81–96 kW) und ein Drehmoment jenseits der 100 Nm-Marke – vermutlich verfügbar ab niedrigen bis mittleren Drehzahlen.
Vorteile des E-Kompressors gegenüber Turbos und mechanischen Ladern
In den 1980er-Jahren experimentierten mehrere Hersteller mit Turboladern für Motorräder, jedoch ohne dauerhaften Erfolg. Der Grund: Die verzögerte Leistungsentfaltung („Turboloch“) steht dem unmittelbaren Ansprechverhalten entgegen, das Motorradfahrer erwarten.
Supercharger, wie sie Kawasaki bei den H2-Modellen nutzt, setzen zwar auf mechanischen Antrieb, bieten jedoch erst bei höheren Drehzahlen spürbaren Schub. Der elektrische Kompressor hingegen reagiert ohne Verzögerung, da er unabhängig von Abgasen oder Motordrehzahl arbeitet – ein entscheidender Vorteil sowohl für die Fahrdynamik als auch für Emissionen und Verbrauch.
Ein weiterer Pluspunkt: Die kompakte Bauweise. Während Turbos in den Abgastrakt integriert werden müssen und mechanische Lader eine Verbindung zur Kurbelwelle benötigen, lässt sich ein E-Kompressor frei im Fahrzeug platzieren. Beim EICMA-Konzept saß die kleine Einheit platzsparend hinter dem Lenkkopf vor dem Luftfilterkasten.
Sportliches Konzept mit VFR-DNA?
Die Bezeichnung „R“ im Namen lässt auf eine sportliche Ausrichtung schließen. Gleichzeitig weist das beim Konzept gezeigte Gitterrohrrahmen-Chassis aus Stahl darauf hin, dass Honda keine extrem teure High-End-Maschine plant, sondern ein Serienmodell für breitere Zielgruppen – womöglich eine moderne Interpretation der VFR800, die einst Sportlichkeit mit Tourentauglichkeit kombinierte.
Ein Produktionsstart der V3R E-Compressor wird noch im Laufe des Jahres erwartet. Spätestens dann dürfte auch Klarheit über technische Daten, Ausstattung und Marktpositionierung herrschen.