Warum eine automatische Kupplung – trotz Quickshifter?
Trotz exzellenter Quickshifter-Technologie, die bei Ducati als eine der besten gilt, gibt es gute Gründe für ein zusätzlich automatisiertes Kupplungssystem. Denn bei Gangwechseln über Quickshifter und Blipper müssen Zündung und Einspritzung kurzzeitig unterbrochen werden – das kostet Zeit und Effizienz. Hinzu kommt: Besonders beim Anfahren, Anhalten oder Rangieren ist eine präzise Kupplungskontrolle entscheidend. Auch in der WorldSBK könnten optimierte Gangwechsel wertvolle Zehntelsekunden bringen.
Wie das System funktioniert: Zwei Kreisläufe, ein Ziel
Ducatis System basiert auf einer Kombination aus hydraulischer und elektronischer Steuerung. Es arbeitet mit zwei separaten, aber zusammenhängenden Kreisläufen:
- Primärkreis (C₁): klassisch, manuell über den Kupplungshebel betätigt.
- Sekundärkreis (C₂): elektronisch gesteuert, über einen Elektromotor und eine TCU (Transmission Control Unit), die einen zusätzlichen Geberzylinder aktiviert.
Der Clou: Beide Systeme können gleichzeitig oder abwechselnd aktiv sein. Der Fahrer kann wie gewohnt kuppeln – oder die Elektronik übernimmt unbemerkt, etwa beim Losfahren oder bei niedrigen Geschwindigkeiten. Die Steuerung erkennt Fahrsituationen wie „Anfahren“, „Stopp“ oder „Gangwechsel“ selbstständig.
Hightech im Detail: Das lernfähige Steuerungssystem
Ducati setzt auf ein verschachteltes Steuerungskonzept – ein sogenanntes Nested-Ring-Prinzip:
- Innerer Regelkreis: Überwacht die mechanische Bewegung des Kupplungsaktuators anhand von Sensorwerten wie Kolbenposition. Ziel ist eine punktgenaue Steuerung der Kupplungskraft.
- Äußerer Regelkreis: Kontrolliert den Hydraulikdruck im System. Dieser Teil passt sich externen Einflüssen wie Temperaturveränderungen, Verschleiß oder Fertigungstoleranzen an.
Das System kann den optimalen Kolbenstand errechnen und den Kolben vorgespannt halten – so verkürzt sich die Reaktionszeit beim Kuppeln.
Drei Hauptmodi für unterschiedliche Fahrbedingungen
Ducati benennt im Patent drei Szenarien, in denen das System besonders glänzen soll:
- Launch Control (M₁): Gesteuertes Anfahren mit hohem Drehmoment für maximale Beschleunigung.
- Antistall-Modus (M₂): Schutz vor dem Abwürgen des Motors bei niedrigen Geschwindigkeiten.
- Gear Shift Control (M₃): Kupplungsunterstützung beim Gangwechsel – inklusive automatischer Kupplungsmodulation und Rev-Matching beim Runterschalten.
Alle drei Modi nutzen Parameter wie Kolbenposition, Motordrehzahl und Druckverläufe zur Optimierung.
Vergleich zu Honda und Yamaha: Ducati geht einen eigenen Weg
Während Honda mit der E-Clutch eine rein automatische Kupplung anbietet – ideal für Stadtverkehr, aber weniger sportlich – und Yamaha mit dem Y-AMT auf eine halbautomatische Lösung setzt, geht Ducati einen anderen Weg: Das System soll sowohl manuell als auch automatisch funktionieren, sportlich nutzbar sein und sogar nachrüstbar bleiben. Der Fokus liegt nicht auf Bequemlichkeit, sondern auf technischer Überlegenheit und Vielseitigkeit.
Potenzielle Einsatzbereiche: Panigale, Streetfighter und Multistrada
Das System könnte sowohl sportlich als auch tourenorientiert zum Einsatz kommen:
- Panigale V2/V4 und Streetfighter: Optimierung von Gangwechseln bei hoher Last, Reduktion von Fahrwerksunruhen und Lastwechseln, etwa beim Schalten in Schräglage.
- Multistrada V2/V4 und DesertX: Verbesserter Komfort beim Rangieren und im Gelände, ideal für Touren- und Adventure-Einsätze.
Zudem könnte Ducati durch die Integration in straßenzugelassene Modelle eine Homologation für WorldSBK und MotoAmerica erreichen – ein cleverer Schachzug angesichts der FIM-Regularien.
Rückblick: Ducati und das Seamless-Getriebe
Bereits vor einigen Jahren sicherte sich Ducati ein Patent auf ein straßentaugliches Seamless-Getriebe – eine Technologie aus der MotoGP. Auch hier ging es um schnellere Gangwechsel ohne Zugkraftunterbrechung. Nun könnte die neue automatische Kupplung der nächste Schritt in dieser Evolution sein.

