Wie berichtet wurde vor Kurzem ein Teilbereich der L535 nur für Motorräder auf Tempo 50 reduziert. Rick Lowag, 1. Vorsitzender der Rennleitung#110 e.V., hat dazu einen Widerspruch in Form eines offenen Briefes an die Entscheidungsträger verfasst:
Widerspruch zur Geschwindigkeitsbeschränkung „Tempo 50 für Motorradfahrer“ auf der Landesstraße 535
Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrte Frau Pfahl, sehr geehrter Herr Brandenburger,
meine Name ist Ricky Lowag. Ich schreibe Ihnen im Namen und in meiner Eigenschaft als 1. Vorsitzender der Rennleitung#110, einem Verein, der sich der Unfallverhütung bei Motorradfahrern verschrieben hat. Und ich schreibe Ihnen in Person eines Motorradfahrers, der durch die aktuell verfügte Geschwindigkeitsbeschränkung auf der L535 unmittelbar betroffen ist.
Ich werde Ihnen in den nachfolgenden Zeilen darlegen, weshalb diese Maßnahme meiner Ansicht nach falsch ist und weshalb dieser Fehler unbedingt korrigiert werden sollte. Sollte ich Sie mit meiner Argumentation nicht überzeugen und zu einer Aufhebung der Geschwindigkeitsbeschränkungen bewegen können, möchte ich Sie an dieser Stelle bereits bitten, mir im Sinne eines förmlichen Widerspruchs einen rechtsmittelfähigen Bescheid zukommen zu lassen.
Aufgrund Urlaubsabwesenheit habe ich zunächst nur aus den Onlinemedien von den beabsichtigten Maßnahmen gelesen, als Motorradfahrer der privat aber auch beruflich viel auf den Straßen im Odenwald unterwegs ist, kam ich in der letzten Woche selbst durch das Steinachtal und konnte mich hierbei persönlich vom Bestehen der angesprochenen Regelung überzeugen.
Der Presse ist zu entnehmen, dass sich eine Unfallkommission aufgrund jüngster Schadensereignisse auf diesem Streckenabschnitt für eine solche Maßnahme ausgesprochen hat. Eine Geschwindigkeitsbeschränkung wird demnach als sinnvoll und notwendig erachtet, da es sich bei dem betreffenden Abschnitt um eine „Unfallhäufungsstelle“ handelt und Unfälle hier zumeist auf nicht angepasste Geschwindigkeit als Ursache zurückzuführen wären. Soweit lässt sich dies sicherlich durch die Unfallstatistik der vergangenen Jahre darstellen.
Was hierbei oft unbeachtet bleibt, ist dass die Betonung auf den Umstand der nicht angepassten Geschwindigkeit zu legen ist, die nicht zwingend mit einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit einhergeht. Es wäre interessant diesen Umstand vor dem faktischen Hintergrund nochmals zu erörtern.
Der entsprechenden Berichterstattung ist zu entnehmen, dass aufgrund der Häufung von Geschwindigkeitsunfällen auf diesem Streckenabschnitt bereits 2017 die Geschwindigkeit hier auf Tempo 70 beschränkt wurde.
Nun haben wir in diesem Jahr eine sehr dramatische Entwicklung zu verzeichnen, die sich in einer Unglücksserie im Sommer manifestiert. Hierbei herauszustellen ist sicherlich das tragische Ableben eines jugendlichen Leichtkraftradfahrers, welcher erst am Folgetag seines Unfalles tot in der Böschung aufgefunden wurde. Zur Unfallursache macht die Berichterstattung nur insoweit Angaben, dass die Ermittlungen der Verkehrspolizei andauern. Man mutmaßt aber im Hinblick auf die wahrscheinliche Unfallzeit „Wildwechsel“. Wesentlich bestimmter ist man diesbezüglich im Zusammenhang mit dem Unfall eines anderen Motorradfahrers, welcher nach eigenen Angaben einem Hasen ausgewichen ist. Ob dem tatsächlich so war, sei dahingestellt. Immerhin lässt sich der polizeiliche Pressesprecher dahingehend ein, dass „Wildunfälle kaum zu vermeiden wären“.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang sicherlich festzustellen, dass auf dem betreffenden Streckenabschnitt keine Beschilderung auf Wildwechsel hinweist!
Der dritte Unfall, welcher in der Berichterstattung dargestellt wird, ist der tödliche Unfall eines Motorradfahrers, dem jedoch die Vorfahrt durch einen Autofahrer genommen wurde.
All dies, ist der Online-Ausgabe der Rhein-Neckar-Zeitung zu entnehmen.
Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass keiner der zur Begründung der Geschwindigkeitsbeschränkung angeführten Verkehrsunfälle zwingend auf nicht angepasste Geschwindigkeit zurückzuführen ist; schon gar nicht, bei einer gleichzeitigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von bis dato 70 km/h.
Die Wirksamkeit der Reduzierung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von einst 100 km/h auf 70 km/h im Jahr 2017 kann insofern aufgrund der Unfallereignisse in den Folgejahren in Frage gestellt werden. Keinesfalls ist die Unfallentwicklung ein Argument dafür, einen solchen Fehler zu wiederholen.
Während Tempo 70 für alle in Anbetracht des Streckenverlaufs und vor der Bedeutung der Straßenverkehrsordnung als Unfallverhütungsvorschrift für eine unbestimmte Personengruppe noch akzeptabel erscheint, ist es eine darüber hinaus gehende, zudem einseitige, Geschwindigkeitsbeschränkung für Motorradfahrer auf 50 km/h nicht. Selbst für wenig versierte Motorradfahrer stellt eine Geschwindigkeit von 50 km/h nicht das Höchstmaß dessen dar, was unter den gebotenen Umständen gefahrlos gefahren werden kann.
Die VwV zur StVO sieht Geschwindigkeitsbegrenzungen mit Zeichen 274 außerhalb geschlossener Ortschaften vor „wo Fahrzeugführer insbesondere in Kurven (…) ihre Geschwindigkeit nicht den Straßenverhältnissen anpassen; die zulässige Geschwindigkeit soll dann auf diejenige Geschwindigkeit festgelegt werden, die vorher von 85% der Fahrzeugführer von sich aus ohne Geschwindigkeitsbeschränkungen, ohne überwachende Polizeibeamte und ohne die Behinderung durch andere Fahrzeuge eingehalten wurde“.
Von diesen Voraussetzungen kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden.
Die angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkung ist daher nicht nur sachlich nicht richtig, sie ist faktisch falsch.
Ihre Maßnahme konterkariert geradezu die Notwendigkeit örtlicher Geschwindigkeitsbeschränkungen und der Überwachung ihrer Einhaltung. Ich ersuche Sie daher inständig, diese Geschwindigkeitsbeschränkung selbstkritisch zu hinterfragen.
Begrüßenswert finde ich indes die angedachten Hinweistafeln, welche auf die besondere Unfalllast dieser Teilstrecke hinweisen. Da in einem anderen Artikel jedoch darauf verwiesen wurde, dass eine Großzahl der Verunglückten aus benachbarten Kommunen stammen, ist davon auszugehen, dass diese um den anspruchsvollen Streckenverlauf mussten.
Erlauben Sie mir noch eine persönliche Anmerkung verbunden mit einem dringlichen Appel:
Wer eine Unfallhäufungsstrecke als Motorradproblemstrecke erkannt haben mag, sich dann aber vor dem Hintergrund etwaiger Problemkonstellationen des Winterdienstes gegen Streckensicherungsmaßnahmen ausspricht, setzt offenkundig falsche Prioritäten. Das „Merkblatt zur Verbesserung der Motorradsicherheit“ (MV-Mot) sieht für solche Fälle u.a. geeigneten Unterfahrschutz vor.
Sie sollten Ihren Standpunkt hierzu auch nochmals eingehend überdenken. Der bedauernswerte Unfalltod des Jugendlichen in diesem Sommer hätte durch eine solche Maßnahme sicherlich verhindert werden können.
Mit freundlichen Grüßen
Ricky Lowag
- Vorsitzender
Rennleitung#110 e.V.