Historischer Wechsel: Vom WSBK-Titel in die Königsklasse
Toprak Razgatlıoğlu wird der erste Superbike-Weltmeister seit Ben Spies (2010), der den Schritt in die MotoGP wagt. Für Yamaha ist das nicht nur ein Prestigegewinn, sondern ein klares Bekenntnis zum Talent und Potenzial des 28-jährigen Türken.
Bereits im Frühjahr 2024 hatte Razgatlıoğlu beim WSBK-Lauf in Assen angedeutet, dass ein Wechsel 2026 sein Ziel sei. Die Gerüchte verdichteten sich, als Yamaha-MotoGP-Rennchef Paolo Pavesio eigens in die Türkei reiste, um die Vertragsdetails persönlich zu klären.
BMW verliert seinen Starfahrer – der „Toprak-Faktor“ war entscheidend
Für BMW ist dieser Wechsel ein herber Rückschlag. Nach der Verpflichtung Razgatlıoğlus zur Saison 2024 war schnell klar: Er war das fehlende Puzzleteil in der langjährigen Aufholjagd des Münchner Herstellers in der Superbike-WM.
In seiner ersten Saison mit BMW gewann Razgatlıoğlu 13 Rennen in Folge und insgesamt 18 Läufe – trotz verletzungsbedingter Ausfälle in sechs Rennen. Am Ende stand er mit 43 Punkten Vorsprung auf den nächsten Verfolger, Nicolo Bulega (Ducati), als Weltmeister fest. 27 Podiumsplätze in 30 Rennen unterstreichen seine Dominanz.
Diese Erfolge waren unter anderem durch technische Sonderregelungen möglich, die BMW 2024 nutzte, um das Chassis deutlich zu verbessern – Änderungen, die im regulären Reglement nicht vorgesehen waren. Doch zur Saison 2025 wurden diese Konzessionen zurückgenommen.
Leistungsträger ohne Vergleich
Während Teamkollege Michael van der Mark von den Chassis-Anpassungen profitierte und immerhin WM-Sechster wurde, zeigte sich 2025 ein deutliches Bild: Razgatlıoğlu fuhr in 15 Rennen elfmal aufs Podium, holte sechs Siege und steht aktuell mit 221 Punkten auf Gesamtrang 2. Van der Mark hingegen kam bislang nur auf 56 Punkte und liegt auf Rang 14.
Der Unterschied ist offensichtlich – und bestätigt, wie abhängig BMWs WSBK-Projekt vom Können Razgatlıoğlus geworden ist.
Kein Platz für MotoGP bei BMW – Yamaha bietet die Zukunft
Obwohl BMW in den vergangenen Monaten alles versuchte, um Toprak zu halten, konnte man ihm einen entscheidenden Wunsch nicht erfüllen: einen Platz in der MotoGP. Diese Option bleibt bei BMW weiterhin außen vor.
Yamaha hingegen bietet Razgatlıoğlu mit dem Pramac-Team ein konkurrenzfähiges Motorrad – technisch auf dem Niveau der Werksmaschine, wie sie auch Fabio Quartararo und Alex Rins fahren. Damit bleibt auch die enge Partnerschaft mit Red Bull bestehen.
Noch offen ist, wer im Pramac-Team für Razgatlıoğlu weichen muss: Jack Miller oder Miguel Oliveira gelten als Wackelkandidaten. Die finale Entscheidung soll beim Grand Prix in Mugello vom 20. bis 22. Juni öffentlich gemacht werden.
Die Suche nach einem Nachfolger bei BMW hat begonnen
Für BMW bedeutet Razgatlıoğlus Abgang nicht nur einen sportlichen, sondern auch einen strategischen Einschnitt. Motorsport-Direktor Sven Blusch steht vor der schwierigen Aufgabe, einen adäquaten Nachfolger zu finden. In der WSBK sind junge, verfügbare Topfahrer Mangelware. Unter 30 Jahren und gleichzeitig vertraglich verfügbar sind kaum Kandidaten vorhanden.
Ein Blick in das MotoGP-Fahrerfeld zeigt mögliche Optionen, darunter Franco Morbidelli, Raul Fernandez oder Johann Zarco. Doch einige dieser Fahrer sind bereits mit anderen Herstellern in Gesprächen oder streben eine Vertragsverlängerung in der MotoGP an. Die Konkurrenz mit Honda erschwert die Situation zusätzlich.
Fazit
Der Wechsel von Toprak Razgatlıoğlu in die MotoGP ist eine große Zäsur – für Yamaha ein Coup, für BMW ein Verlust. Während der türkische Ausnahmefahrer 2026 in der Königsklasse durchstarten wird, beginnt für BMW eine schwierige Phase der Neuausrichtung in der Superbike-WM. Der „Toprak-Faktor“ hat den Unterschied gemacht – und hinterlässt eine Lücke, die nur schwer zu schließen sein wird.