Update: Gespräch mit Michael Lenzen, Vorsitzendem des BVDM
Am Sonntag hatte ich ein sehr interessantes Gespräch mit Michael Lenzen vom BVDM. Wie bereits geschrieben, hatte ich den Kommentar recht spät geschrieben und deswegen auch nicht mehr die Möglichkeit im Vorfeld mit dem BVDM direkt Kontakt aufzunehmen. Da ich hier auch „Gefahr in Verzug“ befürchtete, habe ich den Kommentar veröffentlicht, ohne mit dem BVDM zu sprechen. Das war nicht gerade die feine englische Art, per Mail hatte ich dem BVDM aber zumindest eine „Warnung“ geschickt.
Michael Lenzen, Vorsitzender des BVDM, hat mich darauf hin eingeladen, meine Kritikpunkte in einem persönlichen Telefongespräch zu klären. Dieses haben wir am Sonntagmorgen geführt.
Das Gespräch dauerte ungefähr eine Stunde und ich empfand es als sehr interessant und auch produktiv. Die Themen waren zu vielfältig, als dass ich sie jetzt hier erläutern könnte und dass ein oder andere sollte sicherlich auch unter uns bleiben. Ich möchte an dieser Stelle nur so viel sagen, dass der BVDM schon weiß auf welchem Weg er ist und dass dieser insgesamt wohl auch nicht so verkehrt ist. Man darf auch nicht vergessen, dass es hier um Politik geht und man in diesem Bereich zum Teil nur sehr vorsichtig und mit langem Atem agieren kann.
Michael Lenzen zeigte sich in dem Gespräch aber auch kritikfähig und gab zu, dass die Kommunikation nicht optimal war, nachdem die Drucksache 125/20 veröffentlicht wurde. Der BVDM hatte sich hier zwar umgehend dazu geäußert und sich auch davon distanziert, dies konnte man allerdings nicht überall besonders gut wahrnehmen. Zukünftig möchte der BVDM dies allerdings verbessern, um die dadurch entstandenen Missverständnisse zu vermeiden. Ich hatte das Gefühl, dass ich Michael auch meinen, bzw. den Standpunkt vieler Motorradfahrer, etwas näherbringen konnte, warum die „Zusammenarbeit“ mit Silent Rider nicht besonders gut ankommt und wie das oft von Bikern verstanden wird. Auch hier möchte der BVDM zukünftig transparenter werden und klarer erklären, was der Verband macht und warum. -Denn auch hier liegt der Unmut zum Großteil an Missverständnissen, fehlenden Informationen und Gerüchten, die dadurch entstanden sind.
Da das Gespräch sehr aufschlussreich war und ich vieles mittlerweile anders nachvollziehen kann, habe ich dem BVDM angeboten, dabei zu helfen, über die Arbeit des Vereins zu informieren. Dabei möchte ich in erster Linie unterstützen, solche Missverständnisse zukünftig zu vermeiden. Ich werde also versuchen einen kurzen Draht zum BVDM aufrechtzuerhalten und in meinen Medien über das Vorgehen, aber auch die Hintergründe dieses Vorgehens, unabhängig und objektiv zu berichten.
Ursprünglicher Kommentar:
Die folgenden Zeilen drehen sich um meine persönliche Meinung und meine Gedanken zum BVDM, die Verbindung zu Silent Rider und die Sensibilisierungskampagne zum „Tag des Lärms“.
Gerade (27.04. 22:00 Uhr) habe ich die Pressemitteilung zum „Tag des Lärms“ hier auf der Homepage und auch in der Motorrad Nachrichten App eingearbeitet. Morgen früh um 5:00 Uhr geht sie online. Ich mache mich jetzt direkt danach ans Schreiben dieser Zeilen, da ich persönlich diese Aktion nicht vertreten kann und doch starke Bedenken daran habe.
Warum wurde die Pressemitteilung trotz Bedenken veröffentlicht?
Der Grundgedanke hinter der Aktion ist auf jeden Fall vorbildlich und mir ist bewusst, dass nicht jeder meine Gedanken hier teilen wird. Daher möchte ich dieser Aktion auch nicht im Wege stehen. Außerdem bin ich der Meinung, dass sich jeder selbst ein Bild darüber machen sollte, daher veröffentliche ich diese Zeilen hier erst morgen um 12 Uhr, also 7 Stunden nach der Pressemitteilung. Auf diese Weise kann ich möglichst wenig beeinflussen, mein Gewissen aber auch beruhigen, da ich die Aktion nicht unkommentiert veröffentlichen kann.
Positives an der Sensibilisierungskampagne
Es dürfte klar sein, dass Motorradfahrer dazu angehalten werden sollen, etwas leiser zu fahren. Unnötiger Lärm ist unnötig und bringt nur Probleme. Wir stehen aktuell vor einem Wendepunkt, der es uns Motorradfahrern zukünftig extrem schwer machen könnte, unser Hobby auszuleben. Immer mehr Strecken werden gesperrt und sogar komplette Fahrverbote für Motorräder sind im Gespräch. Das der BVDM versucht hier entgegenzuwirken ist richtig, wichtig und löblich. Trotzdem frage ich mich, ob sie nicht den falschen Weg eingeschlagen haben.
Die Aktion könnte mehr Schaden anrichten als Gutes bewirken!?
Der Grund, warum ich mich von dieser Aktion distanzieren möchte, liegt an folgendem Aufruf:
„Alle von Motorradlärm betroffenen Kommunen und Kreise, aber auch Zeitungen und Zeitschriften können die Webbanner, Anzeigen und Plakate kostenlos zur Veröffentlichung in allen Kanälen nutzen. Großformatige Plakate sollen auch an den besonders belasteten Strecken aufgestellt werden. Der BVDM hat die Nutzungsrechte erworben und würden sich freuen, wenn die Materialien zur Sensibilisierung möglichst häufig genutzt würden, damit viele Motorradfahrer erreicht werden und es auch kurzfristig zu einer hörbaren Reduzierung des Lärms kommt…“
Auch hier kann ich den Grundgedanken nachvollziehen und ich bin auch sicher, dass es der BVDM gut meint. Ich bin aber der Meinung, dass der BVDM hier über das Ziel hinausschießt und mehr Schaden anrichten könnte, als er gut machen will.
Es wird mit Nachdurch aufgerufen die Plakate überall zu verbreiten und aufzuhängen, um möglichst viele Biker zu erreichen. Gesehen werden diese Plakate allerdings nicht nur von Bikern und der Betrachter der Plakate kann auch gar nicht wissen, dass es von einem Biker aufgehängt wurde. Durch das Plakat drängt sich ihm allerdings automatisch der Gedanke auf, dass es hier wohl Probleme mit lauten Motorradfahrern geben könnte. Ein Gedanke, den er vorher evtl. noch gar nicht hatte. Je mehr Plakate hängen, desto mehr verfestigt sich dieser Gedanke und desto mehr Personen werden erst auf die Idee gebracht, dass Motorräder „laut“ sind. – Der ein oder andere mag jetzt vielleicht denken, dass wir ja schon ein riesiges Problem haben und ja schon jeder von der „Motorradproblematik“ weiß. Dies erscheint uns aber nur so, da wir direkt betroffen sind. Der Großteil der Bevölkerung weiß sicherlich nichts von „lauten Motorrädern“, einem Problem damit oder hat gar selbst ein Problem damit. Viele empfinden Motorräder im Allgemeinen sicherlich auch nicht als zu laut. Hängt jetzt jeder ein entsprechendes Plakat vor die Tür, werden Motorradfahrer allerdings nur noch mehr stigmatisiert und das Problem wird nur noch mehr aufgeblasen. Die Leute fangen an Motorräder als zu laut zu empfinden, da sie ja ständig damit konfrontiert werden.
Hier ergibt sich der gleiche Effekt wie ihn die Werbeindustrie nutzt. Hört man etwas nur oft genug, dann glaubt man auch daran, oder neigt zumindest dazu an gegenteiligen Aussagen zu zweifeln.
Negativer Effekt durch die Plakataktion
Hier fürchte ich ganz klar einen extrem negativen Effekt, der sich noch drastisch steigert, je mehr Personen der Forderung des BVDM nachgehen. Daher möchte ich jeden bitten, genau darüber nachzudenken, ob er sich an der Aktion zum „Tag des Lärms“ beteiligen möchte.
Auch aus der Gestaltung der Plakate und dem Text geht nicht hervor, dass hier Motorradfahrer proaktiv werden, um das Problem des „Motorradlärms“ zu bekämpfen. Insidern ist das sicherlich auf Anhieb klar, der „unbescholtene Bürger“ könnte es aber auch so verstehen, dass hier Anwohner auf „nette Art und Weise“ die Motorradfahrer bitten, leiser zu sein und Verständnis für ihre Situation zu zeigen.
Der BVDM und Silent Rider
Wie bekannt sein dürfte, ist der BVDM Mitglied bei den Silent Ridern, die dafür sorgten, dass die Drucksache 125/20 in den Bundesrat kam. Darin wird u.a. gefordert, dass es möglich sein soll, Geschwindigkeitsbeschränkungen oder zeitlich beschränkte Fahrverbote an Sonn- und Feiertagen aus Gründen des Lärmschutzes zu ermöglichen. Im Extremfall könnte das sogar ein komplettes Fahrverbot für Motorräder an Wochenenden und Feiertagen bedeuten.
„Silent“ war nur der BVDM
Als die Drucksache 125/20 bekannt und veröffentlicht wurde, hielt sich der BVDM sehr lange extrem zurück und äußerte sich gar nicht dazu. Wo sich überall Gegenwehr in Form von Demonstrationen formte, stellte der BVDM klar, keine Demo zu veranstalten, da sie in dieser Angelegenheit lieber den Dialog suchen wollten. – Um ehrlich zu sein hatten sie aber ja schon im Vorfeld die Möglichkeit zum Dialog mit Silent Rider, da sie ja selbst Mitglied sind. Diese Gesprächsmöglichkeiten haben sie auch genutzt, allerdings ohne Erfolg, aber dazu nachher mehr.
Später ruderten sie etwas zurück und hochranginge BVDM-Mitglieder hielten sogar Reden bei Demonstrationen, die allerdings Andere organisiert hatten. Eine eigene Demo gegen die Drucksache wurde nicht veranstaltet, was auch nachzuvollziehen ist, da sie ja zum Teil die Drucksache selbst mitzuverantworten haben, auch wenn es nur darum ging, es nicht geschafft zu haben sie zu verhindern.
Der BVDM distanziert sich, bleibt aber bei Silent Rider
In den letzten Tagen veröffentlichte der BVDM ein Statement, indem sie klarstellen, dass sie sich gegen alle Punkte aussprechen, die von Silent Rider gefordert werden, mit der Ausnahme eines Förderprogramms für Elektromotorräder. Daneben wiesen sie darauf hin, dass sie es versuchten bei Silent Rider beratend tätig zu sein, um das alles in eine realistische und faire Richtung zu lenken. – Leider ohne Erfolg.
Es stellt sich die Frage, warum man dann noch bei Silent Rider bleibt, wenn man innerhalb nichts bewirken kann!? – Vielleicht wäre es besser auszutreten und in die Opposition zu gehen, wenn man in der Regierung nichts bewirken kann – oder wie man so schön sagt.
Der Umgang mit dem Thema Lärm
Grundsätzlich habe ich mit der Vorgehensweise des BVDM auch ein Problem, denn es fühlt sich für mich so an, als würden sie das Problem mit dem „Lärm“ zu sehr in den Fokus rücken und sogar noch verschlimmern. Klar muss man einen Dialog über die „Lärmproblematik“ führen, aber muss man laut überallhin verkünden, dass Motorräder zu laut sind und man das ändern muss?
Unbeteiligte bekommen dadurch automatisch den Eindruck „wenn Motorradfahrer sich ja schon selbst über zu laute Motorräder beschweren und leisere fordern, dann müssen Motorräder ja auch wirklich laut sein“. Der BVDM forderte in einem offenen Brief die Industrie dazu auf, leisere Motorräder zu bauen. An sich eine gute Sache, aber muss man das in die Öffentlichkeit zerren um noch mehr Fokus auf „das Problem“ zu lenken? Muss man zig Zeitschriften dazu auffordern das abzudrucken? Hätte es nicht gereicht, das in einer persönlichen Mail an die Hersteller zu schreiben ohne das große TamTam? Wenn es darum ging bestimmte Zeitungen mit ins Boot zu holen, damit diese die Forderung unterstützen, dann wäre das auch über persönliche Mails gegangen, ohne die Bitte, den offenen Brief in den entsprechenden Medien zu veröffentlichen (damals habe ich mich dagegen entschieden ihn zu veröffentlichen).
Der BVDM wäre kein guter Arbeitgeber?
Unternehmensberater empfehlen Chefs einen klaren Umgang mit Situationen, in denen sich Kunden über einen Mitarbeiter beschweren. Der Chef soll Verständnis zeigen, den Mitarbeiter allerdings in Schutz nehmen und dem Kunden versichern, dass er sich um die Angelegenheit kümmert. Danach soll der Chef den Vorfall mit dem Mitarbeiter unter vier Augen klären.
Es ist nicht gut, mehr als kontraproduktiv und für alle Seiten sehr schädlich, wenn der Mitarbeiter vom Chef noch vor dem Kunden zur Sau gemacht wird… Ich denke das ist etwas, worüber der BVDM einmal nachdenken sollte, denn das Verhalten des BVDM empfinde ich als genau so.
Motorräder sind zu laut! – Ja, aber…
Auch sollte man nach meiner Meinung auf den Vorwurf „Motorräder sind zu laut“ anders reagieren. Ich habe das Gefühl, dass der BVDM immer nur antwortet: „Ja, aber das sind nur ein paar schwarze Schafe“. Der Vorwurfsteller hört als erstes das „Ja“ und fühlt sich in seiner Annahme bestätigt. Der Rest wird dann nur noch zum Teil wahrgenommen.
Wäre es nicht besser zu antworten: „Nein, Motorräder sind nicht zu laut. Es gibt Prüfverfahren die die Lautstärke regeln und diese sind erst vor Kurzem mit der Einführung von Euro5 noch mal drastisch verschärft worden. Klar gibt es ein paar schwarze Schafe, die ihre Auspuffanlage manipulieren, aber das ist nur eine sehr geringe Minderheit. Die Lautstärke eines Motorrads kann auch sehr schnell als laut wahrgenommen werden, obwohl sie das gar nicht ist, dazu gibt es Studien. Es wird nur oft subjektiv als zu lauf aufgefasst. Grundsätzlich sind Motorräder nicht wirklich lauter, höchstens vielleicht minimal lauter als andere Fahrzeuge. Es ist auch so, dass es bauartbedingt leider nicht möglich ist den Motor besser abzuschirmen. Daher wirkt ein Motorrad im Stand lauter als beispielsweise Autos, unter der Fahrt sind sie es aber nicht wirklich lauter.“ – Sicherlich nicht perfekt ausformuliert, aber auf jeden Fall schon mal besser als das trotzige, kleinkindartige „ja, aber…“, denn nach dem „Aber“ hört meist keiner mehr zu. Denkt hier nur mal an das „Ja, aber…“ eurer Kids und was das bedeutet.
Wir haben dem BVDM viel zu verdanken
Das alles, oder zumindest vieles davon, brennt mir schon ewig unter den Fingernägeln und jetzt habe ich es endlich mal zu Papier bzw. auf den Bildschirm gebracht. Ich war schon damals skeptisch als ich hörte, dass der BVDM bei Silent Rider beitritt.
Wir haben dem BVDM aber auch sehr viel zu verdanken, denn sie haben schon sehr erfolgreich gegen viele Streckensperrungen für Motorradfahrer geklagt. Auch so setzen sie sich viel für Biker ein. Das ist auch der Grund, warum ich dem BVDM beigetreten bin und zusätzlich „Motorrad Nachrichten“ als Unterstützer angemeldet habe. Die Entwicklung mit Silent Rider und der Umgang mit der „Lärmproblematik“ hat mich allerdings dazu gebracht, das alles zu überdenken.
Aktuell habe ich meine Mitgliedsbeiträge (für mich und für die Seite) noch nicht beglichen, da ich nicht weiß, ob sich der BVDM (nach meiner Meinung) in die falsche Richtung entwickelt und ich mich durch ihn noch richtig vertreten fühle. Vielleicht hat sich das alles mit diesen Zeilen aber auch automatisch für mich erledigt und mir wird die Entscheidung abgenommen. Aber ich hoffe, dass der BVDM dies als konstruktive Kritik sieht und sein Vorgehen noch mal überdenkt, oder es zumindest besser und nachvollziehbarer erklärt.
Feierabend
So, eine Stunde und 20 Minuten später sind diese Zeilen geschrieben, jetzt geht es ans Korrekturlesen und dann einpflegen (eine weitere Stunde später…). Wie gesagt, erscheint dieser Kommentar erst ein paar Stunden nachdem die Pressemitteilung des BVDM veröffentlicht wurde. Der ein oder andere wird mir jetzt wohl zustimmen, der ein oder andere wird meine Gedanken aber auch nicht nachvollziehen können. Alles gut… Jeder darf und soll seine eigene Meinung haben, ich konnte die Aktion des BVDM allerdings nicht ohne schlechtes Gewissen veröffentlichen, wollte sie aber auch nicht unter den Tisch fallen lassen.