Seit Anfang 2020 gibt es in Deutschland eine Neuregelung hinsichtlich der Reifenfreigaben. Doch was genau hat sich geändert, und was bedeutet das für Motorradfahrer? Warum müssen wir da jetzt drüber reden? Müssen nun alle Reifen eingetragen werden, oder kann man auf sein Bike montieren, was man möchte? Hier gibt es eine klare Antwort, jedoch auch einige Fallstricke, die zu beachten sind. Dieser Artikel klärt die wichtigsten Fragen und erklärt die rechtlichen Rahmenbedingungen, auch mit Unterstützung von Experten wie Rick Lowag, einem Polizisten und „Rennkommissar“, sowie Johannes Berg, Fachanwalt für Strafrecht.

Die Neuregelung ab 2020: Was hat sich geändert?

Seit Anfang 2020 müssen Reifen nicht mehr in die Fahrzeugpapiere eingetragen werden – allerdings nur bei Motorrädern mit einer EG- oder EU-Typgenehmigung.  Solange die Reifenspezifikationen wie Größe, Breite, Höhe, Abrollumfang, Geschwindigkeits- und Gewichtsindex eingehalten werden, entfällt die Eintragungspflicht.  Das bedeutet auch, dass Reifenfreigaben für diese Motorräder nicht mehr benötigt werden.

Das klingt zunächst einfach, doch es gibt wichtige Ausnahmen.  Reifen mit geringfügigen Größenabweichungen, die früher durch Reifenfreigaben erlaubt waren, dürfen nur noch bis Ende 2024 gefahren werden – vorausgesetzt, der Reifen wurde vor 2020 hergestellt.  Für neuere Reifen ist bereits eine Eintragung erforderlich.  Die aktuell gültige Übergangsfrist geht nur noch bis Ende 2024, danach müssen auch Reifen, die vor 2020 gefertigt wurden, eingetragen werden, sofern diese nicht allen vorgeschriebenen Spezifikationen entsprechen, oder diese übertreffen.  Das alles gilt aber nur für EG- oder EU-Typengenehmigte Motorräder!

 

EG-Typgenehmigung: Was bedeutet das?

Die EG-Typgenehmigung wurde 1992/93 Jahren eingeführt.  Für Fahrzeuge mit dieser Genehmigung gilt die neue Regelung zur Reifenfreigabe, wie oben beschrieben.  Ob ein Motorrad eine EG- oder EU-Typgenehmigung hat, kann im Fahrzeugschein (Zulassungsbescheinigung Teil 1) unter dem Feld „K“ nachgelesen werden. Dort sollte eine Kennung mit einem „E“ zu finden sein. Steht dort nichts, liegt keine Typgenehmigung vor, und es gelten andere Regelungen.

 

Was darf man nun fahren?

Die neuen Regelungen bringen sowohl Vor- als auch Nachteile mit sich, abhängig davon, ob das Motorrad eine EG- oder EU-Typgenehmigung besitzt. 

Hier eine Übersicht:

  • Vorteil für EG-/EU-Typgenehmigte Motorräder: Solange die vorgeschriebenen Reifenspezifikationen eingehalten werden, darf der Fahrer jeden passenden Reifen montieren. Mischbereifung – also die Kombination von Reifen unterschiedlicher Hersteller – ist ebenfalls erlaubt.  Eine Eintragung ist nicht erforderlich.
  • Nachteil: z.b. breitere Reifen, die früher mit einer Reifenfreigabe erlaubt waren, dürfen nur noch bis Ende 2024 gefahren werden, sofern der Reifen vor 2020 hergestellt wurde. Ab dem 1. Januar 2025 ist eine Eintragung notwendig.
  • Nachteil für nicht EG-Typgenehmigte Motorräder: Für ältere Motorräder ohne EG-Typgenehmigung gilt wieder die Reifenfabrikatsbindung. Es dürfen nur die Reifen gefahren werden, die in den Fahrzeugpapieren eingetragen sind.  Auch hier gilt eine Übergangsfrist bis Ende 2024 für Reifen, die vor 2020 produziert wurden.

 

Konkrete Beispiele für die Anwendung der neuen Regelungen

Es gibt verschiedene Szenarien, die in der Praxis auftreten können:

  • Eingetragene Reifen sind montiert: Alles ist in Ordnung, es besteht kein Handlungsbedarf.
  • Reifen entsprechen den Spezifikationen: Bei EG-/EU-Typgenehmigten Motorrädern ist keine Eintragung nötig, solange alle Reifenparameter erfüllt sind.
  • Mehrere erlaubte Reifengrößen: Alle in den Papieren aufgeführten Kombinationen sind zulässig, sofern sie den Spezifikationen entsprechen.
  • Abweichende Reifendimensionen: Bei Größenabweichungen erlischt gegebenenfalls die Betriebserlaubnis.  Eine Eintragung ist erforderlich, auch bei EG-/EU-Typgenehmigten Motorrädern.  Bis Ende 2024 dürfen Reifenfreigaben genutzt werden, sofern die Reifen vor 2020 hergestellt wurden.  Ab 2025 müssen alle Reifen eingetragen werden.
  • Motorräder ohne EG-/EU-Typgenehmigung: Es dürfen nur die eingetragenen Reifen gefahren werden.  Abweichungen erfordern eine Eintragung, und Reifenfreigaben gelten ab 2025 nicht mehr.  Bis Ende 2024 dürfen Reifenfreigaben genutzt werden, sofern die Reifen vor 2020 hergestellt wurden.  Ab 2025 müssen alle Reifen eingetragen werden.

 

Erlöschen der Betriebserlaubnis: Was bedeutet das wirklich?

In der Praxis kann es vorkommen, dass ein Polizist bei einer Verkehrskontrolle annimmt, die Betriebserlaubnis deines Motorrads sei erloschen, wenn du Reifen fährst, die nicht eingetragen sind, zumindest bei nicht EG-Typengenehmigte Motorräder.  Dies liegt oft daran, dass in den neuen Reifenfreigaben darauf hingewiesen wird, dass die Betriebserlaubnis erlischt, wenn der Reifen nicht eingetragen wird.  Doch diese Annahme ist nicht immer korrekt.

Wenn du Reifen montiert hast, die alle vorgeschriebenen Spezifikationen erfüllen—also Größe, Tragfähigkeit, Geschwindigkeitsindex und so weiter (oder diese sogar übertreffen) —dann erlischt die Betriebserlaubnis nicht.  Selbst wenn der Reifen nicht ausdrücklich eingetragen ist, bleibt die Betriebserlaubnis bestehen, solange das Fahrverhalten nicht negativ beeinflusst wird und keine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer zu erwarten ist.  Von Reifen, die alle benötigten Spezifikationen erfüllen oder sogar übertreffen, kann man davon ausgehen, dass diese keine Gefährdung darstellen, nur weil sie nicht eingetragen wurden.  Sonst dürften Motorräder mit EG-Typgenehmigung ja auch nicht jeden Reifen aufziehen, der die benötigten Spezifikationen erfüllen und das ganz ohne nötige Eintragung.

Solltest du dennoch in eine solche Situation geraten, ist es wichtig, ruhig zu bleiben und sachlich die Rechtslage zu erklären.  Es kann hilfreich sein, Unterlagen wie Gutachten oder technische Datenblätter mitzuführen, die belegen, dass die montierten Reifen den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. 

Aber Achtung, in den neuen Reifenfreigaben ist ggf. fälschlicherweise ein Hinweis darauf zu finden, dass die Betriebserlaubnis bei „Nichteintragung“ erlischt.  Sollte das von einem Polizisten gelesen werden, der nicht so sehr in der Thematik ist, kann dies sogar zur Anzeige wegen erloschener Betriebserlaubnis führen, da er sich dann darauf beziehen könnte!

Damit keine Missverständnisse entstehen, auch wenn die Betriebserlaubnis ggf. nicht erloschen ist, bedeutet das nicht, dass es erlaubt ist, Reifen zu verwenden, die nicht eingetragen wurden (nicht EG-Typgenehmigte Motorräder) auch wenn sie alle Spezifikationen erfüllen.  Eine Buße ist sicherlich trotzdem zu zahlen, allerdings nicht in der Höhe und mit den Folgen wie bei einer erloschenen Betriebserlaubnis.

Im Zweifel ist es ratsam, einen Fachanwalt für Verkehrsrecht zu konsultieren, um deine Position zu klären und gegebenenfalls gegen unberechtigte Vorwürfe vorzugehen.  Entsprechende Rechtsprechungen gibt es bereits.  Genaueres dazu findet ihr in ausführlicher Form im Video oben.

 

Fazit: Neue Regeln erfordern Umsicht

Die Abschaffung der Reifenfreigabe bringt für viele Motorradfahrer Erleichterungen, insbesondere für Besitzer moderner Motorräder mit EG- oder EU-Typgenehmigung.  Dennoch gibt es wichtige Details und Ausnahmen, die beachtet werden müssen, um legal unterwegs zu sein.  Vor allem bei älteren Maschinen ohne Typgenehmigung sollten die Fahrer darauf achten, dass sie die passenden Reifen fahren, um nicht gegen die Vorschriften zu verstoßen.  Ab 2025 wird es für viele Modelle notwendig sein, Reifen, die nicht den Papiervorgaben entsprechen, eintragen zu lassen.

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