Das Ende der Ära Pierer
Stefan Pierer, der KTM über Jahrzehnte geprägt und strategisch ausgebaut hatte, zieht sich nicht nur als Aktionär zurück, sondern gibt auch seine Funktionen bei der Pierer Mobility AG ab. Auch als Vorstandschef des Konzerns wird Pierer nach Abschluss der Sanierung im Juni ausscheiden. Für viele Branchenbeobachter war dies ein unvermeidlicher Schritt – nicht zuletzt wegen der tiefgreifenden finanziellen Schieflage von KTM.
Über die gemeinsam mit Bajaj gehaltene Pierer Bajaj GmbH war Pierer zuletzt noch an der Pierer Mobility AG beteiligt, die wiederum 74,18 % an der KTM AG hielt. Diese Konstruktion wird nun vollständig von Bajaj übernommen. Damit verliert Pierer auch die letzte Kontrollmöglichkeit über das Unternehmen, das einst unter seiner Führung zum europäischen Marktführer im Offroad- und Naked-Bike-Segment aufstieg.
Sanierung mit indischer Hilfe
Das Insolvenzverfahren der KTM AG und zweier Tochterunternehmen stand lange auf der Kippe. Der Rettungsanker kam schließlich aus Pune: Die Bajaj Auto International Holdings B.V. stellte insgesamt 525 Millionen Euro (ca. 567 Mio. US-Dollar) zur Verfügung. Davon flossen 450 Millionen Euro direkt an die KTM AG, weitere 150 Millionen Euro wurden über die Pierer Mobility AG weitergeleitet.
Die erforderliche Sanierungsquote von 30 Prozent wird damit erfüllt. Die Insolvenzverwalter bestätigten, dass mit dem Eingang der Mittel auf ein Treuhandkonto das Restrukturierungsverfahren abgeschlossen werden kann. Die offizielle Rechtskraft des Plans wird in Kürze vom Landesgericht Ried im Innkreis festgestellt.
Ein neuer Kurs unter Bajaj
Mit der Übernahme durch Bajaj endet nicht nur das Insolvenzverfahren, sondern auch die österreichische Führungsstruktur. Künftig wird Bajaj als alleiniger Eigentümer über Strategie, Produktion und Marktauftritt entscheiden. Ob und in welchem Ausmaß die Fertigung in Mattighofen (Oberösterreich) erhalten bleibt, ist bislang unklar. Produktionsausfälle und Lieferprobleme hatten zuletzt bereits zu Kurzarbeit und einer deutlichen Reduktion der Arbeitszeit geführt. Der Neustart der Fertigung ist für den 28. Juli 2025 angekündigt.
Auch personell ergeben sich Änderungen: Verena Schneglberger-Grossmann rückt in den Vorstand der Pierer Mobility AG auf und unterstützt künftig CEO Gottfried Neumeister. Dieser kündigte an, gemeinsam mit Bajaj zusätzliche 600 Millionen Euro (ca. 648 Mio. US-Dollar) an Finanzmitteln für den Neustart bereitzustellen – zusätzlich zu den bereits zur Verfügung gestellten 200 Millionen Euro.
Ein marodes Imperium
Die wirtschaftlichen Kennzahlen der Pierer Mobility AG zeichnen ein düsteres Bild: 2024 musste ein Umsatzrückgang von 29 % hingenommen werden, das operative Ergebnis lag bei minus 1,19 Milliarden Euro (ca. –1,29 Mrd. US-Dollar). Auch das EBITDA fiel mit minus 484 Millionen Euro (ca. –525 Mio. US-Dollar) deutlich negativ aus. Das Eigenkapital ist mit rund 200 Millionen Euro (ca. –217 Mio. US-Dollar) im Minus, während der Schuldenstand weiter anwuchs. Die Zahl der Beschäftigten sank von rund 6.100 auf 5.300 – etwa 4.000 davon arbeiten in Österreich.
Bajaj – mehr als nur ein Investor
Die indische Bajaj Group ist kein Unbekannter: Bereits seit 2007 besteht eine strategische Partnerschaft mit KTM. In den vergangenen Jahren hatte Bajaj seinen Anteil schrittweise erhöht. Nun erfolgt der endgültige Machtwechsel. Bajaj zählt zu den größten Industriegruppen Indiens und ist in zahlreichen Sektoren aktiv – darunter auch Finanzdienstleistungen, Haushaltsgeräte und Elektrotechnik. Über 30.000 Mitarbeitende zählt der Konzern weltweit.
Die Entscheidung, KTM vollständig zu übernehmen, zeugt vom strategischen Willen, die Marktposition in Europa auszubauen. Auch wenn viele Fragen zur künftigen Ausrichtung offen sind – eines ist klar: Die Ära Pierer ist beendet, und KTM wird künftig unter indischer Regie geführt.