Harley-Davidson, eine der bekanntesten amerikanischen Motorradmarken, steckt seit Jahren in einem komplexen Spannungsfeld zwischen internationalen Handelskonflikten und internen Herausforderungen.  Die jüngste Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs könnte die Situation weiter verschärfen.

Hintergrund: Zölle als Folge von Trumps Politik

Im Jahr 2018 führte die Trump-Regierung Importzölle auf Stahl (+25 %) und Aluminium (+10 %) ein.  Diese Maßnahme, ein Wahlversprechen des damaligen US-Präsidenten, hatte weitreichende Folgen.  Die Europäische Union reagierte mit Gegenzöllen auf amerikanische Produkte wie Motorräder, Jeans und Bourbon.  Amerikanische Motorräder, darunter Harleys, wurden mit einem zusätzlichen Zoll von 31 % belegt, was pro Maschine rund 2.000 US-Dollar ausmachte.

 

Harleys Plan: Produktionsverlagerung nach Thailand

Um die hohen Zölle zu umgehen und gleichzeitig Produktionskosten zu senken, verlagerte Harley-Davidson einen Teil seiner Fertigung nach Thailand.  Das Werk in Rayong, das 2019 vollständig in Betrieb genommen wurde, sollte Motorräder für den europäischen Markt produzieren.  Harleys Kalkül: In Thailand produzierte Maschinen würden als thailändische Produkte gelten und nicht unter die EU-Zölle fallen.  Gleichzeitig sollte die Fabrik die wachsenden asiatischen Märkte bedienen.

Doch diese Strategie hatte Konsequenzen.  In den USA gingen 600 Arbeitsplätze verloren.  In Europa jedoch stieß der Plan auf rechtliche Hürden.

 

Urteil des Europäischen Gerichtshofs

Der Europäische Gerichtshof entschied kürzlich, dass Harley-Davidsons Produktionsverlagerung primär dazu diente, die EU-Zölle zu umgehen.  Die Argumentation des Unternehmens, die Verlagerung sei aus Kostengründen erfolgt, wurde als nicht überzeugend zurückgewiesen.

Das Gericht stellte fest, dass die zeitliche Nähe zwischen der Einführung der EU-Zölle und der Verlagerung der Produktion ausreichte, um die Absicht zur Umgehung der Zölle zu belegen.  Nach EU-Regulierung (Artikel 33 der Delegierten Verordnung 2015/2446) sei die Maßnahme wirtschaftlich ungerechtfertigt.  Trotz der Produktion in Thailand gelten die Motorräder weiterhin als US-Produkte, da Harley-Davidson als amerikanisches Unternehmen klassifiziert wird.

 

Präzedenzfall mit weitreichenden Folgen

Das Urteil könnte wegweisend für ähnliche Fälle sein und hat daher Präzedenz-Charakter.  Es sendet ein klares Signal an Unternehmen, dass Strategien zur Umgehung von Handelszöllen einer strengen Prüfung unterzogen werden.

 

Auswirkungen auf die Motorradindustrie

Das Urteil trifft Harley-Davidson zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt.  Das Unternehmen kämpft mit sinkenden Verkaufszahlen, einer alternden Kundschaft und Unzufriedenheit bei den Händlern.  Gleichzeitig steht Harley unter Druck, seine elektrischen Modelle der Tochtermarke LiveWire zu etablieren, während es versucht, das klassische Image der Marke zu bewahren.

Auch andere Hersteller sind von den Handelskonflikten betroffen.  Harleys Konkurrent Indian, ein Unternehmen des Polaris-Konzerns, produziert seit 2020 Modelle wie die Scout und die FTR in einer Fabrik im polnischen Opole – sogar jene, die für den US-Markt bestimmt sind.  Ob Indian ähnliche rechtliche Hürden erwarten, bleibt abzuwarten.

 

Fazit

Harley-Davidsons Versuch, die EU-Zölle durch eine Produktionsverlagerung zu umgehen, ist gescheitert.  Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zeigt, wie rigoros Handelsstrategien überprüft werden, die regulatorische Schlupflöcher ausnutzen wollen.  Für Harley bleibt abzuwarten, wie das Unternehmen auf diese Rückschläge reagiert und ob es gelingt, die Marke wieder auf Erfolgskurs zu bringen.

Anstehende Veranstaltungen

Anstehende Veranstaltungen

Share via
Copy link