Tiefer Fall: Von Wachstum zur Insolvenz
KTM hatte noch vor wenigen Jahren ehrgeizige Expansionspläne. Doch 2023 markierte eine Zäsur: Der Konzern geriet ins Straucheln, verkaufte laut eigener Angabe kaum noch Motorräder, musste Insolvenzschutz beantragen und stand vor einem riesigen Schuldenberg in Milliardenhöhe. Auf den Höfen sammelte sich unverkaufte Ware, während gleichzeitig die Kontrolle über das 2022 übernommene MV Agusta wieder abgegeben wurde. Hinzu kam eine massive Entlassungswelle.
Ein Lichtblick schien sich Anfang 2024 mit dem Einstieg von Bajaj als Investitionspartner abzuzeichnen. Die Produktion wurde im März wieder aufgenommen, nachdem sie zuvor im November 2023 gestoppt worden war. Doch schon wenige Wochen später musste das Werk erneut die Bänder anhalten.
Machtkampf in der Führungsetage
Die angespannte Lage spiegelt sich auch im Führungskonflikt wider. Zwischen Stefan Pierer, CEO der Pierer Mobility AG (die Muttergesellschaft von KTM), und dem Unternehmer Stephan Zöchling ist ein offener Machtkampf entbrannt. Zöchling, der unter anderem Miteigentümer des Autozulieferers Remus ist, hatte Pierer ein Darlehen in Höhe von etwa 80 Millionen Euro (€) (rund 86 Mio. $) gewährt. Nun fordert er die sofortige Rückzahlung, während Pierer das Fälligkeitsdatum auf Juni 2025 datiert sieht.
Um seine Forderung durchzusetzen, will Zöchling die an ihn verpfändeten Aktien verkaufen. Ein solcher Schritt könnte den Aktienkurs massiv unter Druck setzen und die Eigentümerstruktur des Unternehmens grundlegend verändern.
BRP als möglicher Retter – aber nur zum Schnäppchenpreis?
In diesem wirtschaftlich und politisch instabilen Umfeld tritt nun ein möglicher neuer Akteur auf: BRP. Der kanadische Konzern, zu dem unter anderem Rotax gehört – ein langjähriger Motorenpartner von KTM – soll laut Informationen des italienischen Portals GPOne Interesse an einem Einstieg zeigen. Allerdings, so heißt es, nur im Fall eines „fire-sale“, also einer Übernahme zu deutlich reduzierten Konditionen nach einem möglichen Zusammenbruch des Unternehmens.
Laut GPOne ist BRP jedoch nicht der einzige Interessent: Auch internationale Investmentfirmen wie Apollo und BlackRock sollen sich in Gesprächen mit Citigroup befinden, die bereits seit rund sechs Monaten neue Investoren für KTM sucht.
Offiziell äußerte sich BRP nicht konkret zur Situation: „Unsere Organisation ist stets auf der Suche nach Möglichkeiten für langfristig profitables Wachstum. Neben organischem Wachstum evaluieren wir regelmäßig auch potenzielle Übernahmen. Zu Gerüchten oder Spekulationen äußern wir uns grundsätzlich nicht“, teilte das Unternehmen auf Anfrage mit.
Strategische Synergien und alte Verbindungen
Ein Kauf durch BRP wäre keineswegs abwegig. Die Synergien lägen auf der Hand: Mit Rotax besitzt BRP bereits einen wichtigen Motorenlieferanten von KTM, und das Produktportfolio – vor allem im Bereich Powersports – ergänzt sich auf beiden Seiten. Zudem könnte eine Übernahme dem angeschlagenen österreichischen Hersteller dringend benötigte Stabilität und Zugang zu neuen Märkten verschaffen.
Ausblick: Neubeginn oder langsames Ende?
Ob KTM in seiner aktuellen Form überlebt, scheint zunehmend ungewiss. Branchenbeobachter gehen jedoch davon aus, dass die Marke nicht völlig von der Bildfläche verschwinden wird – zu groß ist ihr Bekanntheitsgrad, zu bedeutend ihr technologisches Know-how. Möglich ist jedoch, dass sie nur in Teilen gerettet wird oder unter neuer Führung und Struktur einen Neuanfang wagt.
Die kommenden Wochen könnten entscheidend sein: Gelingt es, neue Investoren zu finden und den internen Machtkampf zu entschärfen, besteht eine Chance auf einen kontrollierten Umbau. Sollte jedoch ein Verkauf unter Zwang erfolgen, könnte BRP als Nutznießer aus dem Schatten treten – mit tiefem Preis, aber großen Ambitionen.