Vertrag mit Hintertür: Martins Ausstiegsklausel
Als Jorge Martin nach dem Grand Prix von Mugello 2024 einen Zweijahresvertrag mit Aprilia unterschrieb, ließ er sich vertraglich eine wichtige Option offen: Sollte er nach dem Frankreich-GP in Le Mans 2025 nicht zu den Titelanwärtern zählen, dürfe er aus dem zweiten Vertragsjahr (2026) aussteigen. Eine sogenannte Performance-Klausel, die auf Wunsch seines Managements im Vertrag verankert wurde.
Genau dieses Szenario ist nun eingetreten: Aufgrund mehrerer Verletzungen konnte der Spanier an fünf der sechs bisherigen Saisonrennen nicht teilnehmen und rangiert nach dem Le-Mans-Wochenende mit null Punkten am Tabellenende. Diese sportliche Situation erlaubt ihm theoretisch, sich vertraglich neu zu orientieren.
Verletzungspech und fehlender Fortschritt
Martins Saison 2025 verlief bisher dramatisch: Zwei Verletzungen in der Saisonvorbereitung führten dazu, dass er die ersten drei Rennen verpasste. Sein verfrühtes Comeback in Katar endete in einer erneuten Verletzung – einem Pneumothorax, der ihn zu einem längeren Krankenhausaufenthalt in Doha zwang. Eine Rückkehr vor dem Deutschland-GP am Sachsenring Mitte Juli gilt als unwahrscheinlich.
Zeitgleich lieferte Aprilia nicht die erwarteten Ergebnisse: Der bestplatzierte Fahrer auf einer RS-GP ist aktuell Ai Ogura aus dem Trackhouse-Team auf Rang 10 der Gesamtwertung. Martins Teamkollege Marco Bezzecchi belegt nur Platz 12 mit 38 Punkten – weit abgeschlagen hinter Tabellenführer Marc Márquez (Ducati) mit 171 Punkten. Auch in der Markenwertung liegt Aprilia abgeschlagen auf dem letzten Platz.
Hinter den Kulissen: Gespräche und Konsequenzen
Laut Informationen von Motorsport.com Spanien war Martin beim Le-Mans-Wochenende zwar nicht offiziell anwesend, führte aber im Hintergrund intensive Gespräche. Beim Mittagessen mit seinem Team informierte er Aprilia darüber, dass er die Ausstiegsklausel ziehen wolle. Die Reaktion aus Noale: Schock. Man prüft rechtliche Schritte und argumentiert, dass die Klausel aufgrund der verletzungsbedingten Ausfälle nicht greift. Aprilia lehnt zudem eine von Martin angebotene Fristverlängerung bis zum San-Marino-GP im September ab.
Der mögliche Wechsel zu Honda
Mit Ducati, KTM und Yamaha weitgehend besetzt, erscheint ein Wechsel zu Honda als wahrscheinlichste Option. Der Vertrag von Luca Marini im Honda-Werksteam läuft am Saisonende aus. Honda – der größte Motorradhersteller der Welt – hätte das Budget und das Interesse, sich die Dienste des amtierenden Weltmeisters langfristig zu sichern. Laut Insidern sei ein hochdotierter Dreijahresvertrag im Gespräch. Auch HRC plant mit Blick auf das MotoGP-Reglement 2027 eine Neuausrichtung und will wieder an der Spitze mitfahren.
Johann Zarco bestätigte nach seinem Sieg in Le Mans, dass er bei Honda bleibt – offen ist jedoch, ob im Werksteam oder in einem Satellitenteam. Honda will sich offiziell erst äußern, wenn Martins vertragliche Situation mit Aprilia endgültig geklärt ist.
Fazit: Eine Entscheidung mit Tragweite
Der Fall Jorge Martin zeigt, wie fragil Vertragswerke in der MotoGP sein können – insbesondere bei leistungsabhängigen Klauseln. Klar ist: Weder Aprilia noch Martin profitieren von einem erzwungenen Arbeitsverhältnis. Sollte sich der Weltmeister tatsächlich für einen Wechsel entscheiden, würde das den Transfermarkt erneut durcheinanderwirbeln. Die nächsten Wochen könnten wegweisend sein – sportlich wie juristisch.